Frauen sollen handeln statt meckern. Denn laut Bestseller-Autorin, Feministin und Journalistin Mirna Funk ist das der einzige Weg aus der Opferrolle. Mit ihrem Buch „Who Cares!“ bricht sie Tabus, polarisiert und fasziniert gleichermaßen und setzt neue, disruptive Impulse. Das macht sie nicht nur zu einer einzigartig-kontroversen nushuvention-Speakerin, sondern auch zur idealen Interviewpartnerin: Wir haben Mirna Funk auf ein exklusives Interview über Eigenverantwortung, finanzielle Unabhängigkeit, den Irrtum von Dichotomien und ihr Leben als Frau, die immer aneckt, gesprochen.

„Wer sich zwanghaft der Opferrolle zuordnet, will sich von der Eigenverantwortung befreien.“

Verstehst du dich selbst als Feministin? Wie ist deine Definition von Feminismus?

Dieser Begriff hat so viele Deutungen wie es Menschen gibt. Deswegen fällt es mir schwer an dieser Stelle zu sagen, ich sehe mich als Feministin. Ich kann aber sehr wohl meine Definition deutlich machen: Für mich ist Feminismus ein Leben auf Augenhöhe zwischen Männern und Frauen, wobei beide in der Lage sind ihre männlichen wie weiblichen Eigenschaften – die wir alle im übrigen in uns tragen – selbständig und selbstbewusst zu leben und damit spielerisch umzugehen.

Du bist bekannt dafür ein bisschen zu polarisieren, auch mal unangenehm zu sein und auch mal Tabus zu brechen. Siehst du das selbst so? Und wenn ja, warum ist das deine bewusst gewählte Art der Kommunikation?

Ich sehe das natürlich überhaupt nicht so. Ich sage, was ich denke und mache, was ich will. Das mag mit meiner ausgeprägten Chuzpah zusammenhängen. Das ist der Mut für seine eigene Perspektive einzustehen. Ich stoße hier als Jüdin in Deutschland an die Grenzen des Möglichen. Das ist insbesondere deshalb interessant, weil immer so getan wird als vermisse man das Jüdische. Aber das ist natürlich totaler Quatsch. Ich bin eine extrem freie und dominante Frau, die ihr Leben lang schon aneckt. Noch bevor ich eine Person des öffentlichen Lebens wurde, erging es mir so. Verstanden habe ich es nie. Egal war es mir aber immer.

Frauen sollen machen, was ihnen guttut. Ob das Netzwerke sind oder zehnmal am Tag masturbieren. Das entscheidet jeder für sich selbst.”

Du sagst, Frauen sollten aus dem “meckern” und der Opferrolle raus und in die Handlung kommen – was meinst du damit und wie gelingt es am besten?

Das Leben ist hart und ungerecht. Die Idee eines paradiesischen Zustands auf Erden ist nicht nur illusorisch, sondern auch ideologisch geprägt. Weil es den Menschen mit seinen guten und schlechten Seiten nicht mitdenkt. Wer an Dichotomien glaubt, der liegt immer falsch. Weder sind Frauen nur Opfer und Männer nur Täter, noch gibt es gute oder böse Menschen. Wir sind immer alles gleichzeitig. Wer sich zwanghaft der Opferrolle zuordnet, will sich von der Eigenverantwortung befreien. Das ist aber kontraproduktiv. Eigenverantwortung ist das Schicksal des modernen Menschen. Wer sich dem verweigert, verweigert sich der Moderne und projiziert quasi-religiöse Wünsche auf den Staat. Der Staat ist aber nicht für unser Glück verantwortlich. Genauso wenig, wie es Gott vor 500 Jahren war.

Wer an Dichotomien glaubt, der liegt immer falsch.”

Wie stehst du zu Frauennetzwerken? Findest du es wichtig, dass Frauen sich vernetzen?

Frauen sollen machen, was ihnen guttut. Ob das Netzwerke sind oder zehnmal am Tag masturbieren. Das entscheidet jeder für sich selbst.

Wer oder was hat dich und deine Meinung am meisten geprägt? 

Die Philosophie. 

Wer inspiriert dich?

Alles.

Es braucht Mut, Mündigkeit und Mitteilungsbereitschaft, um im Leben glücklich zu werden.”

Du sagst ohne finanzielle Unabhängigkeit von Frauen gibt es keine geistige – was meinst du damit genau und warum ist es so essentiell?

Das sage nicht ich, sondern die erste große Feministin Deutschlands: Hedwig Dohm. Wir müssen das aber nicht nur auf Frauen beziehen. Auch in einer homosexuellen Beziehung gilt dasselbe. Wenn mein Überleben in den Händen eines anderen liegt, dann bin ich vom Prinzip unfrei. In allen Lebensbereichen. Dazu gehört der Geist, aber auch die Sexualität. Wie soll ich jemandem, der mein Dach über dem Kopf, mein Frühstück und meine Garderobe finanziert, klarmachen, dass ich zum Beispiel beim Sex niemals zum Orgasmus komme. Dann antwortet derjenige „Mir doch egal. Geh doch, wenn du unglücklich bist!“, wissend darum, dass ich nicht gehen kann. Wieso leben Menschen so? Wieso entscheiden sie sich für die absolute Abhängigkeiten? Diese Frage müssen sich alle Menschen stellen, die ohne einen anderen finanziell nicht überleben könnten.

Was waren die größten Herausforderungen in deiner Karriere?

An meine Talente zu glauben und dafür zu arbeiten, diese auch wirklich zu perfektionieren. Keiner kann Chopin auf dem Klavier spielen, solange er oder sie nicht Jahre geübt hat. Es gibt keine short cuts. Es gibt nur harte Arbeit und Disziplin. Das ist nichts Schlechtes, auch wenn es heute als schlecht verkauft wird, weil beides natürlich in früheren Jahrzehnten als Instrument der Gewalt eingesetzt wurde. Es geht aber um Balance. Und wer sich selbst verwirklichen will und glücklich werden möchte, der muss Arbeit und Disziplin in seine eigenen Talente stecken.

Zum Abschluss: Welche drei Life Hacks würdest du unseren nushus noch mit auf den Weg geben?

Es braucht Mut, Mündigkeit und Mitteilungsbereitschaft, um im Leben glücklich zu werden.

Buch-Tipp aus der nushu redaktion:

“Who Cares!” von Mirna Funk