nushu member Steffi Renz und Tania Hernández, Inhaberinnen des Designstudios what the fish®, denken ungern an den Aufklärungsunterricht in der Schule zurück: Peinlich berührte Lehrer*innen und trockene Aufklärung. Und dann ist da noch die Sache mit der Periode, die in der Werbung gemeinhin nur als blaue Flüssigkeit dargestellt wird. Viele Gründe für ordentlich Handlungsbedarf fanden die beiden Münchnerinnen und entwickelten kurzerhand ein Spiel, das mit verbreiteten Mythen aufräumt und Fakten schafft: OH WOMAN soll Kindern ab 10 Jahren den Weg ebnen für eine positive Aufklärung über die Periode und den weiblichen Körper – ganz ohne Scham. Noch bis zum 18.10. läuft dafür ihre Crowdfunding-Kampagne auf startnext.de und mit jedem verkauften Spiel unterstützen sie den gemeinnützigen Verein periodensystem. Wir haben mit den beiden Kreativköpfen über OH WOMAN gesprochen, was sich im Bildungssystem ändern muss und warum die Enttabuisierung so wichtig ist.


Über Tania Hernández und Steffi Renz

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Hier treffen spanisches Temperament auf bayrische Coolness – bzw. vice versa: Tania (29), gebürtige Spanierin, und Steffi (25), gebürtige Münchnerin, lernten sich bei ihrer Arbeit für eine Münchner Werbeagentur kennen, wo sie u. a. für Deloitte, HANS IM GLÜCK, HypoVereinsbank, Gothaer und hohes C gearbeitet haben. Tania, aus dem Modedesign kommend, als Art Direktorin und Steffi als duale Studentin entdeckten schnell ihre gemeinsame Leidenschaft für Kunst, Design & die Sehnsucht nach Freiheit – weshalb sie 2019 nach Steffi’s Studienabschluss in BWL das Branding- & Designstudio what the fish® gegründet haben. Dort bieten die beiden Münchnerinnen Brand Design für ihre Kund*innen an, haben jedoch nie den Blick für ihre eigenen Projekte verloren. Dabei treibt sie vor allem ‚Gutes zu tun‘ und die feministische Bewegung an. So auch bei OH WOMAN.


Mit dem Spiel „OH WOMAN” habt ihr es euch zur Aufgabe gemacht, Wissen über die Menstruation und den weiblichen Körper spielerisch zu vermitteln. Was hat euch dazu inspiriert?

Tania: Zwei Dinge haben uns dazu inspiriert: Zum Einen unsere eigene Unwissenheit mit Mitte und Ende 20.
Man könnte meinen in dem Alter ist man eine ausgewachsene Frau, die Ahnung hat, weil sie ja letztendlich schon seit 25 bzw. 29 Jahren in ihrem Körper steckt. Nope! In gemeinsamen Gesprächen stellten wir immer wieder fest, dass wir Dinge noch jetzt über unseren Körper erfahren, die uns zuvor in keiner Weise bewusst waren, zum Beispiel, dass Vagina und Vulva nicht dasselbe sind. Unserer Meinung nach liegt das vor allem an der Aufklärungsarbeit während der Pubertät.

Steffi: Zum anderen hat uns das Spiel „Kalaha“ inspiriert – auf dem auch OH WOMAN basiert. Das war das Lieblingsspiel im Kindergarten. Während des Lockdowns habe ich das gemeinsam mit meiner jüngeren Schwester, die 19 ist, gespielt und dabei die Eingebung gehabt: Wäre doch jetzt witzig, wenn das lauter Vaginas und Binden wären, die man mit Blutstropfen befüllt. Im Moment meiner Offenbarung kam von meiner Schwester: „Steffiii, bist du jetzt komplett abgedreht?” Und ich: “Genau deine Reaktion zeigt mir: Jetzt erst recht!

Warum ist es bis heute noch so schambesetzt über den weiblichen Körper zu sprechen und warum ist die Enttabuisierung von Themen wie der Periode so wichtig?

Schwierig das kurz und knapp an einem Punkt festzumachen. Da kommt vieles zusammen: Klar ist, dass die Wurzeln in der menschlichen Geschichte liegen. Die Periode war immer etwas schmutziges, etwas unreines, ein Thema das man im besten Fall verheimlicht. Gepaart mit weiblicher Sexualität, die gefühlt eh nicht stattgefunden hat. Wenn man sich überlegt, dass erst Ende der 1990er herauskam, dass die Klitoris nicht nur eine kleine Perle ist, sondern ein 10 cm großer Schwellkörper. Und jetzt sind wir im Jahr 2020. Schon krass.

Selbst heute zeigt uns noch die Werbung: Frauen, die über Blumenwiesen hüpfen und wenn überhaupt nur weiß bis bläuliche Flüssigkeit von sich geben. Von Blut keine Spur! Und dass es vielen gar nicht nach hüpfen während ihrer Periode zu mute ist, ganz zu schweigen. Schweigen führt zu einer Tabuisierung – und eben auch zur Unwissenheit. Und Unwissenheit steigert definitiv nicht das Selbstbewusstsein. Deshalb ist es wichtig die Enttabuisierung von Periode und weiblicher Sexualität voranzutreiben, dass wir Frauen und Menstruierende wissen, was in unserem Körper passiert. Zeigen, dass es vollkommen natürlich ist und den Menstruierenden dort draußen ihr Selbstbewusstsein geben. Denn Scham ist hier wirklich Fehl am Platz.

Warum habt ihr euch für ein Spiel entschieden?

Ein Spiel hat den Zweck, dass wir gemeinsam mit unseren Mitmenschen, sei es Freund*innen, Familie oder Kolleg*innen, Spaß haben, uns entspannen können. Ein Spiel sorgt für eine leichte und lockere Atmosphäre – und genau dieses Umfeld ist wichtig, wenn es darum geht ein intimes und für viele noch unangenehmes Thema zu besprechen. Es schafft einen Safespace und einen Türöffner für Konversationen über den eigenen Körper. Und vor allem: Jede Altersgruppe spielt doch gerne!

OH WOMAN-Periodenbrettspiel-2© OH WOMAN/ Rosi Offenbach

Was wollt ihr mit „OH WOMAN” erreichen? Habt ihr weitere Spiele oder Projekte geplant?

Wir haben eine klare Vision: Mit OH WOMAN revolutionieren wir den Sexualkunde-Unterricht mit Spiel und Spaß. Wir ersetzen das klassische Lehrbuch für den Sexualkunde-Unterricht – ob in der Schule oder im Kinderzimmer zu Hause.

Es ist uns ein großes Anliegen vor allem frühzeitige Aufklärung stärker zu fördern. Denn wir können uns hier nur wiederholen: Je früher Wissen und Ahnung über den eigenen Körper vorhanden ist, desto selbstbewusster wachsen Teenager heran und desto offener werden sie auch darüber im Erwachsenenalter sprechen – und mit jeder Generation, die kommt, wird das Tabu Stück für Stück von der Bildfläche – im besten Fall – verschwinden.

Und da Aufklärung beim Thema Periode noch lange nicht zu Ende ist, möchten wir hier in der Zukunft auch Editionen des Spiels OH WOMAN unter anderem zum Thema Sex, Wechseljahre und über den männlichen Körper herausbringen. Hier nur am Rande: Wieso gehen Frauen mindestens ein Mal im Jahr zur Frauenärztin, aber Männer nicht zur Urologin oder zum Urologen, sondern meist erst dann, wenn sie Beschwerden haben?

Übrigens: Den Namen OH WOMAN haben wir deshalb gewählt, weil in WOMAN auch MAN drin steckt: Es geht nämlich alle etwas an.

Ihr adressiert das Problem, dass vor allem sehr junge Frauen wenig Wissen über ihren Körper haben. Welche Maßnahmen würdet ihr euch vom deutschen Bildungssystem wünschen, um eine nachhaltige Aufklärung zu ermöglichen?

Steffi: Wenn ich an meinen Sexualkunde-Unterricht zurückdenke, dann waren das gefühlt zwei Stunden kurz vor Sommerferienbeginn mit einem peinlich berührten Biolehrer, als er das Wort Sex in sich hinein nuschelte. Auch lernen wir hier super trocken und rational, wie Frauen und Männer ein Kind zeugen. Das ist schön und gut zu wissen. Aber noch laaaaange nicht alles.

Es gibt ja bereits auch externe Aufklärungsbeauftrage an Schulen, das sollte grundsätzlich so sein. So trauen sich doch Teenager eher Fragen offen zu stellen, als wenn sie den oder die Biolehrer*in vor sich haben, den oder die sie das ganze Schuljahr über sehen. Und noch besser wäre der Ansatz, das Gespräch zwischen den Teenager*innen selbst zu fördern, auf einer fachlichen und zugleich fröhlichen Ebene, zum Beispiel durch ein Spiel wie „OH WOMAN“.

Wir selbst sind auch lange noch nicht schambefreit und sind jetzt die offensten Personen der Welt. Darum geht es in erster Linie auch nicht. Es geht darum, Bewusstsein für Tabus zu schaffen. Nur so kommt der Stein ins Rollen. Und je lauter die Gegenstimmen, desto lauter werden wir. In diesem Sinne: #lettheperiodbegin

Vielen Dank!

Tania und Steffi freuen sich auf vollen Support für ihr Vorhaben  –  Hier geht’s zur Crowfunding-Kampagne!

Fotocredit: OH WOMAN/ Rosi Offenbach