Gender Bias gehört wie der Confirmation Bias zu den kognitiven Verzerrungen. Gender steht dabei für das sozial zugeschriebene Geschlecht. Aufgrund verzerrter Grundannahmen über Gender werden die Realität, andere Menschen oder auch Datensätze zum Teil diskriminierend kategorisiert und interpretiert. Beispielsweise dann, wenn stereotype Unterschiede angenommen werden, wo möglicherweise keine bestehen (“typisch männlich” – “typisch weiblich”).¹

Warum gibt es den Gender Bias?

Die Ursache für Gender Bias sind falsche Grundannahmen über die Geschlechter. Gender Bias kann uns von unseren Eltern, unserem sozialen oder beruflichen Umfeld vermittelt werden. Er findet sich in Lehrmaterialien unserer Schulen und Universitäten, in Medienbildern oder auch den personalisierten Ads, die uns vorgeschlagen werden. Gleichzeitig kann Gender Bias strukturelle Benachteiligung beispielsweise in Form des Gender Pay Gaps oder des Gender Data Gaps verfestigen.

Unser Gehirn nimmt gerne Abkürzungen

Unser Gehirn beginnt schon im Kindesalter mit Kategorisierungen. Früher diente dies dem Überleben, heute den ökonomischen Gründen, vermeintlich sichere Entscheidungen und Annahmen zu treffen.² Hier fließen vor allem erlernte Stereotype ein.³ Begegnen Rollenzuschreibungen uns von der Kindheit an regelmäßig, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir sie unbewusst als “Tatsache” abspeichern (Unconscious Bias).

Warum ist Gender Bias ein Problem?

Gender Bias wirkt in allen Lebensbereichen: Bei der Frage, wer in einer Partnerschaft die Care-Arbeit für Nachwuchs und Familie übernehmen sollte. Welche Erwartungen wir gegenüber dem jeweiligen Gender haben, beispielsweise im Hinblick auf Führungsqualitäten oder Empathie. Was der Nachwuchs in der Schule lernt. Welche Empfehlungen uns unsere Algorithmen geben. Wie wir Städte planen, Medizin entwickeln, Medien gestalten und Politik machen.

Gender Bias in der Unternehmenskultur

Default mode male (Standardmodus männlich) bezeichnet eine Unternehmenskultur, in der Eigenschaften und Verhaltensweisen, die typischerweise als männlich kategorisiert werden, belohnt und als Standardpraxis angesehen werden.⁴ Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass man “hohes Durchsetzungsvermögen” und “Risikofreude”  für eine Position mitbringen muss. Auch im Bereich Einstellungs- und Personalentwicklungsprozessen ist Gender Bias ein Problem⁵: Hier kann er beispielsweise zu unterschiedlicher Bewertung und Wahrnehmung von Berwerber*innen mit identischen Qualifikationen führen.

nushu podcast: Prof. Dr. Fabiola Gerpott  erforscht Gender Bias im Arbeitsalltag⁶
Ihr Feld ist die Mikrodynamik, also die tägliche Interaktion und Kommunikation in Unternehmen. Forschungsfrage: Gibt es Unterschiede in der Interaktion, wenn die Führungsperson weiblich oder männlich ist? In Folge #20 von „Female Business: Der nushu podcast” gibt es für dich den deep dive in

  • Führungsforschung
  • und gender-based Führungskonflikte.

Gender Bias in der Wissenschaft – Gender Data Gap

Gender Data Bias wird das Gender Data Gap vereinzelt auch genannt. Gemeint ist die Geschlechter-Datenlücke oder geschlechtsspezifische Datenleck.⁷ Die Folgen des Gender Data Gaps reichen von “Bikini-Medizin” bis hin zu Algorithmen, die zu 70 Prozent auf männliche Daten trainiert sind. Lange Zeit begünstigte eine traditionell männliche Demographie innerhalb von Forschung, akademischer Lehre und politischen Institutionen das Gender Data Gap.

Gender Biased Algorithms

Schon heute produzieren Algorithmen aufgrund einer unterrepräsentierten Datenlage diskriminierende Rankings oder mangelhafte Diagnosen. Sie werden mit Daten aus der realen Welt gefüttert und lernen daraus. Allerdings sind sie dabei oft nicht neutral, sondern übernehmen bestehende Systemfehler erneut als Standardmodus. Neutrale Algorithmen können im Gegenzug zu mehr Gerechtigkeit (beispielsweise am Arbeitsmarkt) oder Gesundheit (beispielsweise bei Health Apps) beitragen.⁸

nushu podcast: Meike Zehlike forscht für mehr Fairness in der Datenlage⁹
Meike Zehlike ist Informatikerin und KI-Technologie-Beraterin. Im Zuge ihrer Doktorarbeit am Max-Planck-Institut forschte sie zu der Frage, wie sich in datengesteuerten Ranking-Modellen eine längst überfällige Fairness herstellen lässt. In Folge #69 von „Female Business: Der nushu podcast” erfährst du,

  • warum und wie Algorithmen in Rankings diskriminieren
  • und wie Unternehmen und Organisationen mehr Fairness in ihrer Datenauswertung herstellen können.

Gender Bias in den Medien

Gender Bias in den Medien transportiert sich besonders gut über Klischees in Bildern¹⁰ und in Formaten wie Talkrunden, Kindersendungen, oder eben auch der Werbung. Gleichzeitig erzeugt Gender Bias hier Druck für alle, die aus dem Klischee fallen. Mangelnde Diversität, beispielsweise in der Repräsentation aller Geschlechter, oder einseitige Formate können ein Hinweis auf strukturell verankerten Bias sein.

Was tun gegen Gender Bias?

Wie bei anderen Biases fängst du auch beim Gender Bias am besten mit kritischem Hinterfragen an – intern und extern.

Stell dich auf die Probe

  • Überlege, wen du gedanklich vielleicht in letzter Zeit in welche Schublade gesteckt hast.
  • Schärfe deine Wahrnehmung für Stereotype in Sprache, Bildern und Alltagstheorien.
  • Hinterfrage Rollenbilder (gender roles) in deinem sozialen und beruflichen Kontext.

Sei kritisch in deiner (Sozialen) Medien-Nutzung

Stichwort Medienkompetenz: Schau dir deine aktuellen Lieblingsmedien und -quellen mal wieder kritisch an.¹¹

  • Woher beziehen sie ihre Informationen oder Annahmen?
  • Wen siehst du? In welchem Kontext? Und wen siehst du nicht?
  • Welche Artikel werden dir vorgeschlagen?
  • Wie sieht deine personalisierte Werbung aus?
  • Werden dir auch Feeds gezeigt, die konträr zu deinen Ansichten laufen?

Für Unternehmen: Genderkompetenz gegen Diskriminierung einsetzen

Gender Bias ist eine von mehreren Formen der Diskriminierung, die am Arbeitsplatz (einzeln oder in Kombination) auftreten und Mitarbeitende belasten und konkret benachteiligen können. Genderkompetenz auf Führungs- und Personalentwicklungsebene ist hier eine wesentliche Voraussetzung  für ein diskriminierungsfreies Arbeitsklima.¹²

Für Unternehmen: Stellenanzeigen neutral formulieren

Für Millionen von Menschen weltweit sind Stellenanzeigen der erste Berührungspunkt mit potenziellen Arbeitgeber*innen und Unternehmen. Wer sich angesprochen fühlt und wer gegebenenfalls sogar ausgeschlossen, ist auch eine Frage der genderneutralen Formulierung. Die Wortwahl der Anzeigen kann die Zusammensetzung des Bewerber*innenpools dabei erheblich beeinflussen.¹³

Quellen

¹ https://erwachsenenbildung.at/themen/gender_mainstreaming/grundlagen/genderbias.php; http://www.genderkompetenz.info/w/files/gkompzpdf/gender_bias.pdf

² https://www.teamnushu.de/magazin/confirmation-bias

³ https://www.genderiq.de/blog/festgefahren-was-ist-eigentlich-gender-bias; https://www.gesis.org/cews/themen/gender-bias/informationen

https://hbr.org/2022/10/rooting-out-the-masculine-defaults-in-your-workplace

https://blog.iao.fraunhofer.de/karriere-killer-gender-bias/; https://www.forbes.com/sites/kathycaprino/2022/10/13/how-to-eliminate-gender-bias-in-your-hiring-and-employment-practices-today/?sh=7cfe54425ff2

https://www.teamnushu.de/podcast/forschung-mikrodynamik-interaktion-kommunikation

https://www.teamnushu.de/magazin/gender-data-gap

https://www.aerzteblatt.de/archiv/212876/E-Health-Den-Gender-Bias-vermeiden

https://www.teamnushu.de/podcast/gender-data-gap-sie-forscht-dagegen-an

¹⁰ https://www.genderleicht.de/genderbias-vorurteile-im-journalismus/

¹¹ https://www.teamnushu.de/magazin/confirmation-bias

¹² https://blog.iao.fraunhofer.de/karriere-killer-gender-bias/

¹³ https://hbr.org/2022/10/rooting-out-the-masculine-defaults-in-your-workplace