Ein Vorbild ist eine lebende, verstorbene oder auch fiktive Person, die dich in ihrem Sein oder Handeln zur Nachahmung inspiriert. Vorbilder dienen Menschen jeden Alters als eine Art Referenzgröße für ihre persönliche Entwicklung und zur Definition von eigenen Zielen und Werten. Sie können die Vorstellungskraft ganzer Gesellschaften erweitern (beispielsweise im Sinne der Gleichberechtigung). Sie können aber auch zur Nachahmung negativen Verhaltens führen (beispielsweise im Sinne eines Diktatorkults).

Vorbild, Idol oder Leitbild? Der kleine Unterschied

Vorbild (von althochdeutsch forabilidi) wird seit dem 11. Jahrhundert in Deutschland für ein „angemessenes, gerechtes Beispiel” verwendet.¹ Im Gegensatz zum Idol („Inbegriff, Ideal”) können wir Vorbildern in bestimmten Bereichen (wie Beruf, Ernährung) meistens konkret nacheifern und uns realistisch an ihnen messen.

Ein Idol (Popstar, Spitzensportler*in etc.) verkörpert in der Gesamtwahrnehmung eher absolute Ideale, die wir (zum Teil im Kollektiv) bewundern. Bei einem Idol sind wir daher meistens fein damit, nicht alle assoziierten Ideale persönlich zu erreichen. Leitbilder wiederum dienen Menschen und Gesellschaften als abstrakte Konzepte für Wertesysteme oder Lebensentwürfe.²

Wir alle haben unbewusste Vorbilder

Für unsere ersten Vorbilder entscheiden wir uns nicht bewusst. Da wir im Sozialverbund lernen, ist die Nachahmung von beobachtetem Verhalten in den ersten Jahren unsere Überlebensstrategie.³ Wir „spiegeln” unsere Gegenüber und üben uns in der Imitation. Kurz gefasst stehen dir Vorbilder seit deiner Geburt gewissermaßen als Verhaltensmodelle zur Verfügung. Die Psychologie bezeichnet das Lernen von Vorbildern daher auch als Beobachtungslernen oder Lernen am Modell.⁴

Wie lernen wir eigentlich?

Das menschliche Imitationsverhalten gilt als ein grundlegender Baustein der persönlichen Entwicklung und beim Erwerb von Fähigkeiten.⁵ Insgesamt spielen vier grundlegende Lernmethoden eine Rolle:⁶

  • Lernen durch Modelle (z.B. Vorbilder)
  • Lernen durch eigenen Versuch und Irrtum
  • Lernen durch gezielte Verstärkung oder Unterweisung (z.B. Bildung)
  • Lernen durch Konkurrenz

​​Lernen von Vorbildern ist Lernen am Modell

Wir lernen also zu einem großen Teil durch Beobachtung und Nachahmung von „erfolgsversprechendem” Verhalten.⁷ Dies schließt auch negative (beispielsweise aggressive) Verhaltensweisen mit ein.⁸ Wird das Ergebnis eines beobachteten Verhaltens als wirkungsvoll beurteilt, wird es als Modell übernommen. Der Lernprozess wird also durch den jeweiligen „Outcome” eines Modellverhaltens einer anderen Person gesteuert.⁹

Disclaimer: Vorbilder können problematisch werden

Problematisch werden Vorbilder für eine Gesellschaft insbesondere dann, wenn sie Stereotype reproduzieren, eine faktenferne Vorstellung von der Welt vermitteln oder antisoziales Verhalten vorleben.¹⁰ Vor allem soziale Medien und Massenmedien bieten entsprechenden Persönlichkeiten eine Plattform, die im worst case beispielsweise Diskriminierung, Fake News und Menschenverachtung verbreiten oder vorleben.

Warum sind Vorbilder wichtig?

Fakt ist, dass du dich zumindest unbewusst und zeitweise an bestimmten „Leitgrößen” in deinem Leben orientierst. Und andere sich an dir. Die neurowissenschaftliche Forschung zur sozialen Konfiguration im Kindes- und Jugendalter unterstreicht, dass wir später vor allem in gefährdenden oder verunsichernden Situationen auf Verhaltensweisen zurückgreifen, die wir in früher Entwicklung durch Vorbilder gelernt haben.¹¹

Welches Vorbild soll ich wählen?

Welche Vorbilder du dir aussuchst, ist ganz dir überlassen (du kannst dich logischerweise auch komplett gegen irgendein Vorbild entscheiden). Deine Wahl kann dir aber als guter Rückschluss darauf dienen, wonach du gerade suchst oder strebst. Auch in deinem Umfeld wird es Personen geben, die dir als Orientierung, oder Identifikation mit etwas dienen können. Der Benefit von nahbaren Vorbildern ist, dass du bei ihnen nachfragen kannst. Wie jemand etwas erreicht hat, beispielsweise. Oder wie jemand eine schwierige Entscheidung getroffen hat. Im beruflichen Kontext kann beispielsweise deine Mentor*in dieses nahbare Vorbild werden.

Aber bitte nicht ZU vorbildlich

Personen, die den Eindruck erwecken, sie seien uns moralisch überlegen, können starke Abwehrreflexe in uns auslösen. Die Forschung hierzu stellt heraus: Wir haben zwar meistens kein Problem damit, jemandem handwerklich oder fachlich unterlegen zu sein (wir akzeptieren, dass wir weniger fit sind, als beispielsweise unser*e Fitnesstrainer*in). Aber als moralisch unterlegen oder vermeintlich „schlechterer Mensch” dazustehen, kratzt an unserem Selbstwert.¹² Nicht umsonst trat beispielsweise Greta Thunberg eine Armada von (vornehmend männlichen) zornigen „Leitstimmen” in deutschen Medienhäusern gegen sich los.

Warum braucht man Vorbilder?

Vorbilder können in neue Gesellschaften führen. Denn sie vermitteln immer auch sogenannte Möglichkeitsräume (positiv wie negativ).¹³ Diese Möglichkeiten selbstbestimmt wählen zu können ist ein Grundgedanke des Liberalismus. Es geht nicht um Schablonen für fremde Lebensentwürfe („Mach es wie xy”). Sondern darum, dass wir Vorbilder auch dafür brauchen, um herauszufinden, was für uns eigentlich alles möglich ist. Dies gilt für die individuelle wie gesellschaftliche Ebene.

Historische Vorbilder sind meistens männlich

Vom Alten Ägypten bis in die Gegenwart: Was Frauen im Laufe der Geschichte geleistet haben, ist selbst in ihren Herkunftsländern meist nur wenig geläufig. Sind ihre Biografien bekannt,¹⁴ werden sie nicht selten mit einem emotionalen Schwerpunkt auf „Beziehungen mit” oder „Tochter von” erzählt. Gerade in im Feld der MINT-Fächer werden die historischen Errungenschaften von Frauen gerne unerwähnt gelassen oder Männern zugeordnet.

Weibliche Vorbilder sind wichtig für die Gleichberechtigung

Historisch gesehen waren Frauen in Deutschland lange nur in den vorbildlichen Rollen der Mutter oder treusorgenden Ehefrau gern gesehen. Inzwischen belegt eine Fülle von Studien die Wichtigkeit weiblicher Vorbilder für die Gleichberechtigung, sogenannte traiblazer wie Kamala Harris oder Sheryl Sandberg vergrößern die Vorstellungskraft von Gesellschaften.¹⁵ Auch in Deutschland fordern öffentlichkeitswirksame Kampagnen wie beispielsweise die von Initiative Chefsache¹⁶ mehr weibliche Role Models für Wirtschaft und Politik.

Auch du kannst ein Role Model sein

Als Role Models wurden lange insbesondere solche Frauen bezeichnet, die sich öffentlichkeitswirksam (sichtbar) und allem gesellschaftlichen Widerstand zum Trotz in ihren Disziplinen durchgesetzt haben. Aber mal unabhängig vom jeweiligen Lebenswerk oder Business ist jede Frau, die aus der Reihe überholter Normen tritt, im Kleinen oder Großen, eine Wegbereiterin.¹⁷ Für alle die, die ihrem Beispiel nun folgen können. Dies gilt auf wirtschaftlicher Ebene beispielsweise für jede weibliche Führungsverantwortliche: Vorbild ist, wer Diskriminierung hinterfragt, Entscheidungsprozesse transparent macht oder Diversität und Vernetzung fördert.

Warum sind Vorbilder für Kinder wichtig?

Vorbilder können Kindern unter anderem durch das Aufzeigen neuer Wege, ein offenes Ohr, durch Trösten oder auch Kritik in ihrer Entwicklung beeinflussen.¹⁸ Die Orientierung an einem Vorbild ist dabei häufig mit der bewussten oder unbewussten Nachahmung konkreter Verhaltensweisen verknüpft. Dies schließt vorgelebte Werte (beispielsweise Hilfsbereitschaft) oder soziale Normen (beispielsweise Rollenbilder) mit ein.¹⁹ Gezieltes Nachfragen beim Kind kann unser Verständnis dafür schärfen, weshalb eine bestimmte Person zum Vorbild auserkoren wurde.

KIM-Studie 2020: Bibi Blocksberg bei 6 bis 13-jährigen Kindern auf Platz 1²⁰

Nach Personen aus dem Familien- und Verwandtenkreis steht Bibi Blocksberg (die mit dem Zauberbesen Kartoffelbrei) auf dem ersten Platz bei den Einzelnennungen der 6- bis 13-Jährigen in Deutschland. Auf Platz 2 folgen die Fußballer Cristiano Ronaldo, Manuel Neuer und Robert Lewandowski. Weitere Nennungen fallen auf Harry Potter, Anna und Elsa aus „die Eiskönigin“, Personen aus dem Freundeskreis, Lehrkräfte, Spiderman, Thomas Müller, Selena Gomez, Justin Bieber, Feuerwehrmann Sam, Taylor Swift und Heidi Klum.

Für die repräsentative Stichprobe „Kindheit, Internet, Medien” (2020) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds wurden insgesamt 1.216 Kinder zwischen 6 und 13 Jahren befragt.

Jugendliche nutzen Vorbilder häufig zur Abgrenzung

Während in der frühen Kindheit häufig direkte Bezugspersonen als Vorbilder dienen, finden Jugendliche diese besonders innerhalb ihrer Peergroup oder in den Medien. Ihre Vorbilder haben weit mehr Funktionen als nur das Lernen am Modell. Sie dienen auch der Selbstfindung, Abgrenzung und Orientierung innerhalb der sozialen Umwelt. Welche alternativen Lebenskonzepte gibt es? Wo stehe ich selbst? Gerade bei Influencer*innen suchen Jugendliche inzwischen aufgrund der hohen Nahbarkeit und Interaktionsmöglichkeiten häufig die Antworten.

Fakt ist: Schon vor Corona waren knapp 90 Prozent der 16 bis 29-jährigen Jugendlichen in Deutschland in den sozialen Medien unterwegs. Und 70 Prozent der 16- bis 24-Jährigen begegneten Influencer*innen dort täglich (bewusst angeklickt oder per Zufall).²²

Quellen

¹ https://www.dwds.de/wb/Vorbild

² https://www.grin.com/document/388272

³ https://www.grin.com/document/388272; https://karrierebibel.de/vorbild/

https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/modellernen/9872

https://www.grin.com/document/388272; https://www.wissen.de/eltern-als-vorbilder-lebensweg-der-kinder-nachhaltig-praegen

https://www.wissen.de/eltern-als-vorbilder-lebensweg-der-kinder-nachhaltig-praegen

https://de.wikipedia.org/wiki/Vorbild

https://www.kom.de/medien/warum-es-so-schwer-ist-ein-vorbild-zu-haben/

https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/modellernen/9872

¹⁰ https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/221579/medien-und-stereotype/?p=all

¹¹ https://www.grin.com/document/388272

¹² https://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-warum-das-vorbild-nicht-zu-vorbildlich-sein-darf-1.3402683

¹³ https://www.freiheit.org/de/frauen-freiheit-vorbilder

¹⁴ https://www.pr-journal.de/nachrichten/branche/28485-internationaler-frauentag-von-wegen-gleichberechtigung.html

¹⁵ https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2021-03/weibliche-vorbilder-freundinnen-frauen-verwandte-nachbarinnen-weltfrauentag?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

¹⁶ https://initiative-chefsache.de/en/; https://www.teamnushu.de/magazin/frauen-in-fuehrungspositionen

¹⁷ https://editionf.com/vorbilder/#

¹⁸ https://www.lernando.de/magazin/628/Vorbilder-fuer-Kinder

¹⁹ https://www.grin.com/document/388272; https://www.wissen.de/eltern-als-vorbilder-lebensweg-der-kinder-nachhaltig-praegen

²⁰ https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2020/KIM-Studie2020_WEB_final.pdf

²¹ https://www.dw.com/de/digitale-vorbilder-influencer-in-deutschland/a-57030329

²² https://www.bvdw.org/fileadmin/user_upload/190404_IM_Studie_BVDW_2019.pdf