Mit work life balance (inzwischen vermehrt: work life blending) ist der ausgeglichene Einsatz von persönlichen Ressourcen (wie Zeit oder Energie) gemeint, die wir für unterschiedliche Lebensbereiche (wie Beruf, Bildung, Familie oder Gesundheit) und ihre Anforderungen an uns benötigen.¹
Work life balance gehört somit zum gleichen Themenkomplex wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In welchem Verhältnis verschiedene Bereiche gegeneinander abgewogen werden, ist eine Frage der individuellen Werte, Prioritäten und Ziele.
Eine Ausrichtung auf work life balance kann für Unternehmen und Organisationen einen Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt darstellen.²

Gibt es die perfekte work life balance?

Eine ideale work life balance ist keine perfekte 50/50-Aufteilung.³ Es gibt auch keinen Universalschlüssel, um sie zu errechnen. Deine Lebensumstände können sich ändern und somit auch deine Verantwortungsbereiche oder Werte beispielsweise. Work life balance muss also immer dynamisch betrachtet werden.⁴ Wir alle sind in diversen Konstellationen mit externen Erwartungen konfrontiert. Wir müssen also viele spezialisierte Funktionen (Rollen) für einen (beispielsweise sozial oder wirtschaftlich) erwarteten “Output” erfüllen.⁵

Wichtig ist, dass du dich den diversen Anforderungen und Rollen deines Lebens stabil gewachsen fühlst. Dies bedeutet zum einen, dass sie größtenteils von dir selbst gewählt sind. Und zum anderen, dass dich deine Aufgaben und Verantwortungsbereiche weder überfordern, noch deinen Werten oder Zielen entgegenstehen.

Das Konzept der work life balance im deutschen Arbeitsrecht

Die deutsche Gesetzgebung formuliert auch im Sinne einer work life balance an vielen Stellen eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebenden gegenüber seinen Angestellten.⁶ Hierfür dienen beispielsweise Maßnahmen des betrieblichen Arbeitsschutzes (wie Arbeitszeitregelungen), der Gesundheitsförderung (wie betrieblich geförderte Sportangebote), oder Angebote aus dem Bereich Lebenslanges Lernen.
In Deutschland erkennen bestimmte Gesetze wie Elterngeld und Elternzeit (BEEG), oder das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) die Notwendigkeit des „Ausbalancierens“ an. Auch die Möglichkeit für ein Sabbatical als längere berufliche Auszeit, die Gewährleistung von Phasen der Erholung (Urlaubsregelungen) oder Familienpflege (Pflegezeitgesetz) preisen die Konkurrenz verschiedener Lebensbereiche ein.

Out of balance: Hinweise auf ein Ungleichgewicht

Work life balance ist keine messbare Größe. Trotzdem gibt es bestimmte Dinge, die auf ein Ungleichgewicht und im worst case auf ein Burnout hindeuten können. Wenn du dich beispielsweise häufig körperlich erschöpft oder emotional leer fühlst. Und das auch bei Dingen, die dir eigentlich Freude bereiten. Weitere Hinweise können sein

  • konstante emotionale, mentale oder körperliche Erschöpfung
  • eine zynische, reizbare oder nachtragende Grundhaltung
  • häufigere Konflikte mit den Menschen deines engeren Umfelds
  • Überforderungsgefühle, sich in viele Richtungen gezogen fühlen
  • Schlafstörungen oder Änderung deiner Essgewohnheiten (unbeabsichtigt)
  • häufige Konzentrations- oder Motivationsschwierigkeiten.⁷

Toxic Productivity: Genug ist nicht genug

Toxische Produktivität definiert sich psychologisch als ungesunder Wunsch, konstant produktiv zu sein. In allen Lebensbereichen um jeden Preis die berühmte „Extrameile“ hinzulegen – selbst, wenn es nicht von dir erwartet wird.
Bist du eine der ersten, die sich meldet, wenn es um ein neues Projekt bei der Arbeit geht – selbst wenn dein Schreibtisch schon überläuft? Rotierst du nach langen Office- und Familyhours noch um deine To-Do-Liste für private Tasks, um noch unbedingt heute die letzten drei Häkchen zu setzen? Fühlst du dich dabei trotzdem noch nicht produktiv genug? Dann befindest du dich eventuell im Bereich der toxic productivity.
Für Betroffene ist selbst zu viel noch nicht genug: Sie fühlen sich am Ende eines Tages oft sogar schuldig, weil sie nicht noch mehr getan haben. Das Selbstwertgefühl misst sich dabei an dem, was getan und erreicht wird.. Toxische Produktivität ist die Tochter einer kapitalistisch orientierten Leistungsgesellschaft, in der Hustle-Culture und Workaholism ausdrücklich belohnt werden. Ein Gegengewicht kann hier die Erkenntnis bieten, dass nicht allein dein “Tun” oder “Erreichen” deinen Wert definiert.

Was bedeutet work life balance?

Work life“ wurde lange Zeit im Sinne eines traditionellen Arbeitsmodells verstanden, das durch eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung und starre Arbeitszeitmodelle gezeichnet war.
non work life“ umfasste neben Hobbies und Freunden vor allem die Betreuungsarbeit für Kinder oder andere Familienmitglieder (Care Arbeit). Dieser zweidimensionale Ansatz greift allerdings zu kurz. Heute wird vermehrt von work life blending gesprochen. Wenn du also über work life balance liest, ist wahrscheinlich work life blending gemeint.

Work life balance Definition

Der Anglizismus work life balance beschreibt zunächst ein Gleichgewicht zwischen den Polen Arbeit und Leben.⁸ Obwohl zugehörige Themenkomplexe wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in Deutschland in der breiten Öffentlichkeit verankert sind, gibt es keine einheitliche Definition des Begriffs work life balance. Gemeinsam ist den vorhandenen Definitionen allerdings, dass sie von mehreren sozialen Rollen ausgehen, die wir in unserem Leben bespielen (müssen). Die Balance dieser Rollen, das Abwägen zwischen konkurrierenden Rollen und unsere wahrgenommene Kontrolle über diese Rollen sind Bestandteil geläufiger work life balance Definitionen. Auch das psychosoziale Geschlecht (Gender), definiert für uns bestimmte, zugeschriebene Rollen in Partnerschaft, Familie, Beruf, ökonomischen Strukturen und Kulturen.⁹

Geschichte: Aus work life balance wird work life blending

Der Ursprung des Konzepts work life balance liegt bereits im 19. Jahrhundert zur Zeit der Industrialisierung. Die Mechanisierung und Maschinisierung erlaubte die Entwicklung der Fabrik, Arbeits- und Wohnumfeld wurden zunehmend getrennt.¹⁰ Größere Relevanz erlangte die work life balance durch psychologische Erkenntnisse (im größeren Forschungsumfang in Deutschland seit den 1980ern) zur Auswirkung von beruflichem Stress auf den menschlichen Organismus.
Im Kontext von remote work kombiniert mit super-smart technology kann sich eine klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben in den 2020ern fast unmöglich anfühlen.

Damn you, workmail!

Lange vor Zoom und völliger Verschmelzung aller Rollen im Homeoffice im Lockdown, läutete die jederzeit abrufbare Arbeitsmail auf handlichen Smartphones eine neue Challenge der work life balance ein.¹¹ Inzwischen lesen und beantworten wir selbstverständlich auch nachts, am Wochenende, im Urlaub, beim Geburtstag unserer Kinder, oder bei Krankheit unsere Arbeitsmails.

Homeoffice verbessert die work life balance bei Führungskräften

Arbeitnehmende verschiedener Führungsebenen haben unterschiedliche Sichtweisen auf Arbeit im Homeoffice und die Auswirkungen auf ihre work life balance.¹² Dies geht aus einer aktuellen Studie von Economist Impact (mit Unterstützung von WeWork) hervor. Im August und Oktober 2021 wurden weltweit (unter anderem in Berlin, Singapore, New York City, Paris und Sydney) 4000 Angestellte und 700 Führungskräfte befragt. Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Die Mehrheit der Führungskräfte (61 %) berichteten von einer Verbesserung ihrer work life balance seit dem Ausbruch der Pandemie, während die Mehrheit der Arbeitnehmenden (41 %) von einer Verschlechterung berichtet.
  • Mitarbeitende in weniger hohen Positionen befürworteten eine klare Trennung von Arbeits- und Privatraum. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) geht gerne ins Büro, weil sich berufliche und private Verpflichtungen so besser trennen lassen.
  • Eine Mehrheit (59 Prozent) der Führungskräfte, die während der Pandemie eine flexible Arbeitsregelung mit mindestens drei Tagen pro Woche Remote-Arbeit angaben, berichtete über eine positive Auswirkung auf ihre work life balance.

Wie finde ich die richtige work life balance?

Eine gute work life balance ist, wie bereits erwähnt, immer eine sehr individuelle und dynamische Abwägung. Was sich beispielsweise für eine junge Berufstätige ohne Familien- oder Teamverantwortung ausgewogen anfühlt, wird sich wahrscheinlich für eine Spitzenpolitikerin mit zwei Kindern deutlich anders darstellen. Gemeinsamer Nenner auch bei diesen beiden (und uns allen) ist allerdings, dass eine Balance zwischen den verschiedenen Rollen sich nur dann einstellt, wenn persönliche Ziele, Werte und Verantwortungsbereiche in einem gesunden und sinnvollen Verhältnis zueinander stehen.¹³

Kleine Checkliste für deine work life balance

Um ein geeignetes Gleichgewicht zwischen deinen verschiedenen Anforderungsbereichen und Rollen im Leben zu finden, findest du hier ein paar Fragen zur Orientierung:¹⁴

  • Was sind meine persönlichen Ziele und Werte?
  • Welche Rollen und Verantwortungsbereiche muss ich in meinem Leben bespielen?
  • Welche Rollen habe ich mir selbst ganz bewusst ausgesucht?
  • Welche Rollen werden eher von außen für mich definiert?
  • Wo spiegeln sich meine Werte und Ziele, welche Rollen stehen ihnen aktuell vielleicht sogar entgegen?
  • Welche Rollen / Verantwortungsbereiche sind reine Energiefresser (passiert häufig bei rein extrinsisch motivierten Aufgaben)
  • Haben manche Werte noch gar kein Ziel, oder vice versa?

Vorsicht, Stresslevel … Ablenkung hilft

Schon ein Spaziergang (circa 30 Minuten) kann ausreichen, um das Cortisol-Level zu reduzieren und gleichzeitig die Kreativität um bis zu 60 Prozent steigern. Zu diesem Ergebnis kam die Universität Standford in einer Messreihe aus 2020.¹⁵ Psychologische Forschungen haben gezeigt, dass das Verringern der Erwartungen an die eigene Leistung das Stresslevel regulieren kann. Auch körperliche Betätigung oder Ablenkung vor einer stressigen Aufgabe hat sich als geeignet gezeigt, um das Cortisol-Level im Körper (bei gesunden Studienteilnehmer*innen) auf einem gesunden Stand zu halten.¹⁶ Cortisol (auch: Hydrocortison)  ist ein Hormon, das in der Nebennierenrinde gebildet wird. Es ist an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt und wird bei Stress vermehrt freigesetzt. Deswegen wird es auch „das Stresshormon“ genannt. Kurzfristig kann es unter anderem unsere Leistungsfähigkeit ankurbeln. Ein dauerhafter Überschuss an Cortisol kann unter anderem zu Schlafstörungen, Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Übergewicht und Konzentrationsschwierigkeiten führen.¹⁷

Work life balance und (Kurzzeit-)Sabbatical

Eine gute work life balance ist auch eine Frage der Priorisierung. Damit du diese gut treffen kannst, ist ein Austausch mit deinem engeren Umfeld (beruflich und privat) sehr sinnvoll. Denn nur so kannst du beispielsweise ein akutes „Zuviel“ an Aufgaben delegieren, oder die ersten Weichen für einen größeren Richtungswechsel stellen.
Vielleicht ist ja auch genau jetzt der ideale Punkt für dein (Kurzzeit-)Sabbatical. Ein (Kurzzeit-)Sabbatical ist auch Burnout-Prävention. Es ermöglicht dir, Stress zu reduzieren und zu analysieren, wo du deine verschiedenen Lebensbereiche vielleicht mit neuen Schwerpunkten aufstellen musst. Und welche externen Faktoren deiner physischen psychischen Gesundheit aktuell schaden.  Wie du deine Auszeit vom Job am besten angehst und welche Sabbaticalmodelle es gibt, erfährst du hier.

Disclaimer: Manche halten work life balance für einen Mythos

Wer sich durch allzu ehrgeizige Online-Literatur zum Thema work life balance arbeitet, stößt auf Binsen wie die folgende:

  • „Ein entspannter Bürokaffee kann nach einem aufreibenden Familienwochenende genauso entspannend sein.”
  • „Wer arbeitet, der lebt dabei.”
  • „Der Mensch ist von Natur aus unausgeglichen.”¹⁸

Wir würden da gerne nochmal nachfragen:

  • War das Familienwochenende so aufreibend, weil man selbst so aufgerieben von der Arbeitswoche war?
  • Logischerweise können nur lebende Menschen arbeiten. Aber wie genau geht es diesen lebenden Menschen dabei?
  • Wenn der Mensch von Natur aus unausgeglichen ist, wäre das Finden einer Balance dann nicht mehr als sinnvoll?

Quellen

¹ https://www.michaelpage.de/advice/karriere-tipps/arbeitswelt/die-vier-entscheidenden-s%C3%A4ulen-der-work-life-balance

² https://www.brunel.net/de-de/karriere-lexikon/work-life-balance

³ https://www.thehrdirector.com/features/worklife-balance/need-stop-talking-work-life-balance/; https://www.healthline.com/health/mental-health/work-life-balance

https://www.healthline.com/health/mental-health/work-life-balance

https://de.wikipedia.org/wiki/Work-Life-Balance

https://de.wikipedia.org/wiki/Work-Life-Balance

https://www.healthline.com/health/mental-health/work-life-balance

https://de.wikipedia.org/wiki/Work-Life-Balance

https://edoc.unibas.ch/22906/1/20160623095700_576b964c073ca.pdf

¹⁰ https://d-nb.info/1125543310/34

¹¹ https://uk.pcmag.com/productivity/139745/5-simple-tips-to-achieve-a-better-work-life-balance-for-remote-workers

¹² https://impact.economist.com/projects/nextpectations/barometer/?utm_medium=pr&utm_source=de-a

¹³ https://www.healthline.com/health/mental-health/work-life-balance#make-it-personal

¹⁴ https://www.berufsstrategie.de/bewerbung-karriere-soft-skills/work-life-balance.php

¹⁵ https://www.teamnushu.de/magazin/stop-the-hustle

¹⁶ https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0306453017313331

¹⁷ https://www.apotheken-umschau.de/diagnose/laborwerte/cortisol-das-stresshormon-740779.html

¹⁸ https://karrierebibel.de/work-life-balance/